Diese Blaskapelle benutzt keine Tablets – Alexandra Brass Band, Australia (1906)

Foto: Diese Band benutzt keine Tablets. Quelle: Wikimedia. Lizenz: gemeinfrei

Fallbeispiel: Blaskapelle mit 15 Musikern möchte Papiernoten auf Tablets umstellen

Zuletzt aktualisiert am 26. Oktober 2023

Anfrage eines Blechbläser-Ensembles

Wir würden gerne unser Notenrepertoire auf digital umstellen, sind aber mit der Tablet-Auswahl überfordert. Vielleicht können Sie uns helfen?

Wir benötigen 15 Tablets oder E-Book-Readers, die Simmen / Partituren im Master-Slave Modus Stücke auflegen können. Das Format sollte ungefähr DIN A4 sein.

Wir spielen nur, wenn die Bühne hell erleuchtet ist oder abends im Dunkeln. Bei Live-Auftritten gehen manchmal Dinge kaputt, deshalb sind uns die Boox Tab X oder PadMu 4 fast zu teuer.

Im Moment hätten wir die Scora Software mit dem SoloPlus Tablet oder MobileSheets auf einem Lenovo Tab P12 als günstige Lösung gefunden. Aber die Entscheidung wird nicht leicht sein, da wir keinerlei Erfahrung mit dem Musizieren auf dem Tablet / E-Reader haben.

Haben Sie eine Empfehlung für uns?

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Autor Johannes Eva (Viola)Als professioneller klassischer Musiker habe ich 20 Jahre Berufserfahrung im Bereich der Orchester- und Kammermusik. Seit mehreren Jahren schon berate ich Kollegen, Studenten und Musikerfreunde bei der Tablet-Auswahl.

Neben den positiven Aspekten der Verwendung von Tablets im Musikbetrieb habe ich immer wieder auch die andere Seite erlebt: Abstürzende Tablets kurz vor dem Auftritt, Akkus, die lange Probentage nicht durchhalten, und Pedale, die während des Konzerts im Stimmzimmer statt auf der Bühne liegen.

Ich habe meine Schulzeit in Frankreich verbracht, weswegen dieser Artikel durchaus Rechtschreib- und Grammatikfehlern aufweisen könnte, was mir natürlich Leid tut. Sie können mir gerne Korrekturen schicken!

1. Die Auswahl der Hardware bedingt die Wahl der Software – und umgekehrt

Die Wahl eines Tablets / E-Readers ist gerade für Ensembles eine Herausforderung: Die Auswahl der Hardware (E-Reader oder Tablet, Apple oder Android) bedingt die Wahl der Software und schränkt sie gegebenenfalls ein. Die Apps zum Lesen und Verwalten von digitalen Musiknoten sind nämlich nicht mit allen E-Readern / Tablets kompatibel.

Es empfiehlt sich daher sehr, eine Hardware-Plattform mit einem Betriebssystem auszuwählen, das eine breite Auswahl an Musik-Anwendungen zulässt.

2. Die E-Reader von Scora sind veraltet (stand: Oktober 2023)

Das „SoloPlus Tablet“ von Scora läuft (laut der Scora-Website) mit Android 5.1. Diese Android-Version kam Anfang 2015 heraus und wird seit März 2018 nicht mehr offiziell unterstützt.

Eigentlich handelt es sich nicht um Tablets, sondern um E-Book-Reader, da sie elektronisches Papier (oder E-Papier) verwenden. Auf der Website von Scora konnte ich nicht herausfinden, wie hoch die Auflösung der Displays ist. Da es sich um 13,3-Zoll E-Ink-Displays mit einem 16:9-Seitenverhältnis handelt, ist die Auflösung vermutlich 1920 ×1080.

Sollte Scora ein neues Modell auf dem Markt bringen, mit einer aktuellen Android-Version und einer aktuellen Hardware, wäre es eventuell eine Option. Zurzeit kann ich Scora-Tablets nicht empfehlen.

3. E-Reader sollten vor dem Kauf vorab getestet werden

Große E-Reader sind sehr spezielle Geräte. Die meisten Musiker haben bereits mit Tablets zu tun gehabt, jedoch vermutlich keine großen E-Reader ausprobiert. Gerade bei Bestellungen von vielen Geräten sollte nicht „blind“ gekauft werden: sollte die Wahl Eures Ensemble zu E-Reader tendieren, sollten die Musiker die Geräte vorab ausprobieren können.

Die E-Papier-Technologien haben in den letzten Jahren bedeutende Fortschritte gemacht. Dennoch haben sogar neue Geräte eine geringere Auflösung als Tablets. Die Displays reagieren langsam, bestimmte Interaktionen sind mühsam. Bei älteren Geräten wie dem Scora SoloPlus werden diese Schwächen noch präsenter sein.

Bildschirme mit elektronischem Papier sind nicht von hinten beleuchtet wie Tablets, sondern von der Seite. Im Dunkeln sind sie bei weitem nicht so angenehm zu lesen wie Tablets. Nur bei Tageslicht, Konzerten im Freien oder bei direktem Sonnenlicht sind die Bildschirme von E-Readern Tablets wirklich überlegen.

Eine eventuelle Entscheidung für E-Reader sollte nur nach ausführlichen Tests und der Zustimmung der Musiker fallen.

4. Viele der besten digitale Notenbibliotheken laufen nur auf iPads

Es muss nicht Apple sein und iPads sind extrem teuer. Dennoch muss einem bewusst sein, dass folgende Musiknoten-Apps nur auf Apple-Geräten verfügbar sind:

  • Der Langzeit-Marktführer forScore aus dem US-Bundesstaat Washington läuft nur auf iPhones und iPads. Eine Unterstützung weiterer Plattformen ist nicht geplant.1
  • Die Musiknoten-App Newzik aus Paris, seit einigen Jahren im Trend, ist auch nur auf Apple-Geräten verfügbar. Allerdings läuft die Verwaltung des Notenarchivs am besten separat über „Newzik Web“. Diese kann über einen Webbrowser auf jedem Computer oder größeren Tablet benutzt werden.2
  • Der Neueinsteiger aus Berlin, Enote, ist ebenfalls nur auf iPads und iPhones verfügbar. Enote plant zwar, in Zukunft auch andere Plattformen zu unterstützen, im Moment haben jedoch laut der eigenen Website die Erweiterung der Notenbibliothek und die Verbesserung der Apple-Apps Priorität.3

Die Wahl eines Android-Tablets schließt die Benutzung weltweit führender Musiknoten-Apps wie forScore, Newzik oder Enote aus.

5. Master/Slave Modus ist eine komplexe Sache

Es gibt zwei verschiedene Möglichkeiten für den Master/Slave-Modus, was das Auflegen von Stücken und das Blättern betrifft:

  • Variante 1: Stimmgruppen mit den gleichen Noten eines Werks, typischerweise Streichergruppen in Orchestern oder Stimmgruppen in Chören. Hier geht es ums Stücke-Auflegen (gleiches Stimmmaterial), ggf. gesteuertes gleichzeitiges Blättern und eventuell die Synchronisation von Eintragungen.
  • Variante 2: Verschiedenen Stimmen des selben Stückes. Hier geht es nur um das Auflegen von den verschiedenen Stimmen des Stückes bzw. das Wechseln zum nächsten Stück, da vermutlich innerhalb des Werkes nicht gleichzeitig geblättert wird.

Die zweite Variante, die Euch wahrscheinlich interessiert, scheint die einfachere von beiden zu sein. Dennoch ist sie komplexer, als es auf den ersten Blick scheint, denn die verschiedenen Stimmen (und eventuell die Partitur) müssen dem Werk erst mal zugeordnet werden.

Bisher habe ich mich, als Streicher im Symphonieorchester, am meisten mit der ersten Variante des Master/Slave Modus beschäftigt. Und tatsächlich ist es sehr schwer herauszufinden, welche Musiknoten-Apps die zweite Variante unterstützen. Hier folgen meine noch unvollständigen Ergebnisse.

5.1 ForScore Cue auf dem iPad: keine zufriedenstellende Lösung

Bei forScore gibt es eine zusätzliche, kostenpflichtige extra-App namens „forScore Cue“. Damit lassen sich Gruppen bilden und gemeinsame Stücke anzeigen.

Ein „Leader“ ist für das Umblättern von Seiten und das Navigieren zwischen verschiedenen Stücke oder Lesezeichen in seiner Bibliothek verantwortlich. Bei einem oder mehreren „Follower“ folgt das iPad automatisch, indem es entweder auf das Umblättern von Seiten, auf Stückänderungen oder auf beides reagiert.

forScore Cue auf dem iPad - Fernsteuerung, Leiten und Folgen, dualer Seitenmodus (Screenshot)

forScore auf dem iPad: Einrichtung der Fernsteuerung. Die kostenpflichtige App forScore Cue muss zusätzlich installiert werden. Screenshot: tablets-für-musiker.de

Soweit die Theorie. In der Praxis ist es mir nicht gelungen, auf zwei iPads (ein iPad Pro und ein „Standard“-iPad) forScore Cue einzurichten. Nur die Variante 1 (gleiche Stimme eines Musikstückes) scheint unterstützt zu sein.

Die Dokumentation ist sehr spärlich (nur eine Seite) und nur auf Englisch verfügbar.

Bei forScore scheint es unmöglich, einem Werk verschiedene Stimmen zuzuordnen. Insgesamt ist das Notenbibliothek-Management bei forScore längst nicht so weit entwickelt wie bei Newzik oder Dimusco, einer weiteren aus Berlin stammenden Noten-App, die alle Betriebssysteme unterstützt.

ForScore ist eine wunderbare Lösung für einzelne Musiker oder für Kammermusikgruppen und Ensembles ohne zentralisiertes Noten-Management. Als Lösung für größere Ensembles, Chöre oder Orchester mit Noten-Management ist forScore trotz aller Qualitäten nicht zu empfehlen.

5.2 MobileSheets: mehr Optionen und Multiplattform

Bei MobileSheets lassen sich iPadOS, Android und Windows-Geräte miteinander verbinden. Ein sogenanntes „Primärgerät“ darf Gruppen erstellen, mit denen sich „Sekundärgeräte“ verbinden.

Tablets oder iPads mit MobileSheets verbinden (Galerie, klicken oder tippen zum Zoomen). Screenshot: tablets-für-musiker.de

Von den 206 Seiten des im PDF-Formats herausgegebenes Benutzerhandbuchs beschäftigen sich immerhin fünf mit der Einrichtung von Tablet-Gruppen. Die Sektion „Geräte untereinander verbinden“ fängt ab Seite 167 an.

Hier wird fast nebenbei erwähnt, dass beide Varianten des Aufschlagens eines Stückes unterstützt werden. Man kann also sowohl gleiche Stimmen eines Stückes auf Tablet-Gruppen über Master-Slave-Verbindungen aufmachen, als auch verschiedene Stimmen eines Werks.

Die Einstellung dafür findet man im „Verbindungseinstellungen“-Dialog, unter „Songs hiermit zuordnen“.

MobileSheets ermöglicht alle denkbaren Varianten des Master/Sklave Modus. Die Bedienung dieser Funktion ist nicht sehr intuitiv und die Anleitung könnte besser sein, aber das Steuern von Tablet-Gruppen funktioniert sehr gut, und das sogar betriebssystemübergreifend.

Newzik, nkoda, Enote, Dimusco

Ich hoffe, dass ich die obengenannten Musiknoten-Apps demnächst im Hinblick auf Tablet-Gruppen testen kann.

6. Ist das Lenovo Tab P12 für Musiker zu empfehlen?

Das im Juli 2023 vorgestellte Lenovo Tab P12 füllt eine Marktlücke: In diesem Preisbereich gibt es kaum Tablets mit ähnlicher Displaygröße (12,7 Zoll) und in dieser Qualität.

Der Bildschirm des P12 ist minimal größer als der des Galaxy Tab S9 FE+ und des Tab S9+ von Samsung (12,4 Zoll), und das Displayformat ist identisch (16:10). Trotzdem kostet das Tab P12 nur die Hälfte des Tab S9+.

Die Akkus dieser drei Modelle sind gleich stark (10.200 mAh), und generell müssen beim Lenovo Tab P12 erstaunlich wenig Abstriche gemacht werden.

Die Rechenleistung des Lenovo Tab P12 ist nicht brillant, was jedoch für Musiknoten-Apps kein Problem darstellt. Jedoch hat das P12 eine für Musiker kritische Schwäche, die auch den niedrigeren Preis zum Teil erklärt:

Die maximale Display-Helligkeit ist zu niedrig

Die maximale Display-Helligkeit ist auf der Bühne (Bühnenbeleuchtung) und bei Open-Air-Konzerten wichtig. Sie beträgt laut Lenovo 400 Nits (oder cd/m²).

In Tests werden bei Tab P12 zwischen 370 (PC-Welt) und 435 cd/m² (Notebookcheck) gemessen, ein durchaus schwacher Wert. In dieser Hinsicht wäre folgende Tablets eine bessere Option – diese sind leider deutlich kostspieliger:

  • Das Galaxy Tab S9 FE+ hat laut Samsung eine maximale Helligkeit von 600 Nits, im sogenannten „High Brightness Mode“ sogar 720 Nits. Das Tablet ist neu auf dem Markt, Testergebnisse sind noch nicht verfügbar.
  • Das Galaxy Tab S9+ hat laut Samsung eine maximale Helligkeit von 420 Nits, im Unterschied zum Lenovo Tab P12 gibt es zusätzlich eine Spitzenhelligkeit von 650 Nits.

Zum Vergleich: die letzten iPad Pro 12,9-Zoll der 5. und 6. Generation haben eine gemessene Displayhelligkeit von 620 cd/m².

12,7-Zoll Display, aber deutlich kleiner als DIN A4

Die Fläche des Displays des P12 entspricht nur 75 % des DIN A4-Formats. Größere Tablets oder E-Reader sind alle deutlich teurer:

  • Surface Pro 9: 81 % von A4
  • Apple iPad Pro 12,9-Zoll: 83 %
  • Onyx Boox Tab X: 88 %
  • Lenovo Tab Extreme: 98 %
  • Samsung Galaxy Tab S8 / S9 Ultra: 99 %

Lenovo Tab P12: Pro

  • Extrem gutes Preis/Leistungs-Verhältnis
  • Großes 12,7-Zoll Display
  • Eingabestift wird mitgeliefert
  • Neues Modell mit vier Jahren Sicherheits-Updates

Contra

  • Display ist für Bühne / Open Air evtl. nicht hell genug
  • Display entspricht trotzdem nur 75 % eines DIN A4-Blattes
  • Geringere Akku-Laufzeit als bei Samsung / Apple
  • Keine Mobilfunk-Variante (nur WLAN)
Fazit Lenovo Tab P12 für Musiker

Auch wenn es mit den großen Top-Tablets von Samsung und Apple nicht mithalten kann, ist das Lenovo Tab P12 ein gutes Tablet mit einem hervorragenden Preis-Leistungs-Verhältnis.

Die entscheidende Frage für Musiker bleibt, ob die Displayhelligkeit hoch genug ist, um bei heller Umgebung die Noten noch lesen zu können. Falls das Budget es irgenwie ermöglicht, ist das Samsung Galaxy Tab S9 FE+ die bessere Wahl.

7. Meine Empfehlung

Bei größeren Ensembles würde ich dringend dazu raten, digitale Noten auf Tablets oder E-Book-Reader nach und nach einzuführen. Die Musiker sollten Zeit haben, sich an Software und Hardware zu gewöhnen.

Bei großen Orchestern ist es aus vielen Gründen zu empfehlen, Tablets des gleichen Herstellers zu benutzen. Bei einem Ensemble Eurer Größe ist es vermutlich nicht schlimm, verschiedene Tablets im Umlauf zu haben – Hauptsache, die Software ist die gleiche. Hier scheint MobileSheets Eure Bedürfnisse zu treffen, aber auch Dimusco könnte alle benötigten Funktionen bieten.

Besonders interessierte Band-Mitglieder könnten anfangen, zum Beispiel ein Lenovo Tab P12 und ein Samsung Galaxy Tab S9 FE+ zu testen. Wenn das P12 zu Euren Bedürfnissen passt, wäre der Weg frei für eine Bestellung weiterer Tablets.

Eventuell brauchen Musiker, die weiter weg vom Notenständer stehen (Schlagzeug, Posaunen) größere Tablets! Hier ist auch ein praktischer Test mit den betroffenen Musikern und mit den ersten Tablets sinnvoll.

Nach und nach könnten weitere Musiker den Switch wagen und von den Musikern unterstützt werden, die schon länger mit Tablet spielen.

Viel Glück mit der Entscheidung und viel Erfolg mit dem Wechsel!

  1. forScore-Website, Why Don’t You… (support Android or Windows), abgerufen am 23.10.2023 (auf Englisch)
  2. Newzik Support, Is Newzik available for Android?, aktualisiert am 10.01.2023 (auf Englisch)
  3. Enote Help, Can I use Enote on Android or Windows devices?, abgerufen am 23.10.2023 (auf Englisch)

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